Der schrecklichste aller Kriege, der schon kurz nach dem Bezug der ersten Häuser ausbrach, hemmte die Entwicklung. In den ersten zwei Jahren schafften die vom Wehrdienst befreiten Männer und die Frauen an der Verbesserung ihrer Siedlerstelle. Sie konnten nicht ahnen, daß der größte Teil ihrer Arbeit vergeblich war.

Außerdem konnten dem Boden nicht die notwendigen Nährstoffe gegeben werden, weil sie infolge des lang andauernden Krieges einfach nicht mehr zu haben waren. Nach manchen durchwachten Bombennächten in feuchten Kellern fuhren anschließend die Bergleute zu ihrer Arbeit unter Tage, um nach Feierabend sofort wieder zum Spaten zu greifen, denn es war unendlich viel zu tun. Im September 1944 wurde Hetzerath evakuiert, und die Siedler, die kaum in der neuen Heimat Fuß gefaßt hatten, mußten diese wieder verlassen. Vier Jahre hatten sie auf ihrer Siedlerstelle geschuftet, immer getrieben von dem Gedanken, auf eigener Scholle seßhaft zu werden. Nun ging es einem ungewissen Schicksal entgegen.

Der Zug, der die Menschen in eine unbekannte Zukunft bringen sollte, ließ erst einmal eine ganze Nacht auf sich warten. Als er endlich nach zehnstündiger Verspätung ankam, waren die Menschen schon müde und  erschöpft. Niemand wußte, wohin es ging. Nach endlos erscheinenden Stunden gelangte der Zug in Halle an der Saale an. Hier erfuhren die total abgespannten Hetzerather, wo sie für unbestimmte Zeit eine Zuflucht finden sollten. Der dritte Tag neigte sich seinem Ende zu, als die Flüchtlinge endlich ein Obdach fanden.

Während der 10 Monate währenden Verbannung aus der Heimat lebten und wohnten die Siedlerfamilien recht und schlecht, eben den kriegsbedingten Verhältnissen entsprechend. Hätten Furcht und Zweifel, je wieder die Heimaterde zu sehen, die Gemüter nicht immerfort belastet, man hätte das Leben in der Ferne erträglich finden können. Aber auch in Bitterfeld, so hieß die Stadt in Sachsen-Anhalt, in der die Hetzerather eine vorläufige Bleibe gefunden hatten, hielten die Menschen gute Kameradschaft. Wenn man bedenkt, daß die Menschen in ihrer neuen Siedlung erst vier Jahre ansässig waren, mußte man ihr Zusammengehörigkeitsgefühl bewundern. An langen Winterabenden saßen diese und jene Familien zusammen und unterhielten sich darüber, wie es zu Hause aussehen könnte. Dann seit im Februar 1945 die feindliche Offensive aus dem Rurtal begonnen hatte, drangen keinerlei Nachrichten mehr zu den Hoffenden in Mitteldeutschland.

Einige Monate nach Kriegsende sickerten Gerüchte durch, daß es um Dorf und Siedlung nicht gut aussah, weil sich etwa tausend ehemalige Fremdarbeiter, Männer, Frauen und Kinder, dort häuslich niedergelassen hätten. Die ungünstigen Meldungen trieben die Flüchtlinge zur Eile. Alle Hebel wurden in Bewegung gesetzt, um die Heimreise antreten zu können. An eine Rückkehr mit der Eisenbahn war nicht zu denken, da noch keine Züge fuhren. Es würde zu weit führen, Not, Sorge und Ungeduld derer zu schildern, die noch keine Möglichkeit sahen, die heimatlichen Gefilde wiederzusehen. Jeder unserer Siedler hat damals am eigenen Leibe erfahren, was es heißt, warten zu müssen und immer wieder warten zu müssen, bis endlich ihre Sehnsucht in Erfüllung ging.

Quelle: Festschrift der Interessengemeinschaft Hetzerath "Siedlung Hetzerath 1939-1964 anlässlich 25jähriges Bestehen in Verbindung mit der Spätkirmes in Hetzerath"